Aufbrechen und in Bewegung bleiben

27.05.2022 | Eberhard Fuhr (Pressesprecher des EJW)

Evangelisches Jugendwerk setzt verstärkt auf verlässliche Beziehungen und Beteiligungsformen

Bei der Delegiertenversammlung des EJW am 21. Mai 2022 im Tagungszentrum Bernhäuser Forst wurde immer wieder deutlich, dass der größte konfessionelle Jugendverband in Baden-Württemberg nach wie vor eine vitale Jugendbewegung ist. Cornelius Kuttler verwies in seinem schriftlichen Bericht auf die Entstehung des EJW nach dem 2. Weltkrieg. „Das EJW ist eine auf Gottvertrauen, Mut und persönliches Engagement gegründete Jugendbewegung und nicht eine von oben verordnete Organisation“, so der Leiter des EJW. Im letzten Jahr sei deutlich geworden, dass es trotz Corona-Krise im EJW Bewegungen, Aufbrüche und Impulse gegeben habe. In seinem Bericht erinnerte Andreas Lämmle, der Vorsitzende des EJW, an die fünf strategischen Handlungsfelder des Jugendverbands, an denen der Vorstand des EJW weiter festhalten werde. Dazu gehören geistliches Leben zu ermöglichen, in Menschen und Beziehungen zu investieren, Freiräume zu schaffen, Bezirksjugendwerke zu fördern und das Arbeitsfeld mit Kindern und Familien zu stärken. „Wir gehen gerne mehrere Meilen mit euch“, sagte er zu den 125 Delegierten aus der Landesstelle, den Bezirken und Orten. Vor dem Hintergrund rückläufiger Finanzen verwies er auf die strategische Langzeitplanung und ein Zielstellenkonzept, das der Vorstand des EJW in der letzten Legislaturperiode verabschiedet hatte.

Einladendes Bild von Kirche gestalten

In ihrem Grußwort betonte Sabine Foth, die Präsidentin der Württembergischen Landessynode, dass sie das EJW als dynamische Bewegung wahrnimmt. Sie wünscht sich, dass die Landessynode und das EJW gemeinsam ein kreatives und vielfältiges und einladendes Bild von Kirche gestalten. Oberkirchenrätin Carmen Rivuzumwami, Leiterin des für das EJW zuständigen Dezernates 2 im Evangelischen Oberkirchenrat, bedankte sich für die vielfältigen Formate, die das EJW anbietet und verwies dabei besonders auf das aktuelle Projekt „Jetzt reicht`s“ – eine Botschaft der Hoffnung“. Sie dankte dem EJW, dass der Jugendverband schon im Jahr 2007 ein Schutzkonzept vor sexualisierter Gewalt entwickelt hat und verwies darauf, dass Eltern vermehrt nach solchen Konzepten fragen.

Neue Mitarbeitende eingeführt

Beim Gottesdienst zum Beginn der Delegiertenversammlung, die nach zwei Jahren wieder in Präsenz stattfand, wurden Jan Bechle als Landesjugendreferent im Werks- und Personalbereich Hauptamtliche, Janina Crocoll als Projektreferentin im Arbeitsbereich Kirche Kunterbunt, Vanessa Gunesch als Landesjugendreferentin im Arbeitsbereich Vielfaltskultur und Hans-Joachim Eißler mit der Neubeauftragung als Landesreferent im Arbeitsbereich musikplus in ihre Aufgaben eingeführt. Am Ende des Gottesdienstes wurden fünf Vertreterinnen und Vertreter des EJW zur YMCA-Weltratstagung ausgesandt, die Anfang Juli in Aarhus in Dänemark stattfinden wird.

Frischer Wind in der Landesstelle

Diesen stellte Dieter Braun, Fachlicher Leiter des EJW, in seinem persönlichen Bericht fest. Konkret sichtbar werde dies dadurch, dass sich sechs Fachausschüsse aus dem Arbeitsfeld der Jugendlichen auf den Weg gemacht haben, ihre Zusammenarbeit neu zu gestalten und ein gemeinsames Bild für ihr Miteinander entwickelt und verabschiedet haben. „Wir spüren in den letzten Jahren, dass es schwieriger wird, Ehrenamtliche für die Fachausschüsse zu gewinnen“, so Braun. Deshalb sei es notwendig, Strukturveränderungen beispielsweise bei den Fachausschüssen vorzunehmen, so dass die Landesstelle zukunftsorientiert ist und in Bewegung bleibt. Ergänzend hat er angekündigt, dass die Verbindung zwischen Bezirken und Landesstelle auch durch ein „99-Minuten-Besuchsformat“ gestärkt werden soll.

Erstmalig Doppelhaushalt verabschiedet

Im Verwaltungsplan des EJW für die beiden kommenden Jahr wird deutlich, dass das EJW Einsparungen und Kürzungen vornehmen muss. Im letzten Jahr konnte noch ein Jahresüberschuss in Höhe von rund 73.000 Euro ausgewiesen werden, bedingt vor allem durch die Corona-Pandemie, da viele Veranstaltungen nicht durchgeführt werden konnten. Die Delegierten haben jetzt erstmals einen Doppelhaushalt verabschiedet, der trotz Stellenreduzierungen und Einsparungen im Jahr 2023 bei einem Volumen von rund 12,5 Millionen einen Verlust von 5.800 Euro und im Jahr 2024 bei einem Volumen von rund 12,0 Millionen einen Verlust von 49.000 Euro vorsieht. Auch das EJW stehe wegen des prognostizierten Rückgangs der Kirchensteuereinnahmen einerseits und den Tariferhöhungen und der allgemeinen Teuerung andererseits vor großen finanziellen Herausforderungen und habe einen hohen Einsparbedarf erläuterte Friedemann Berner, der Geschäftsführer des EJW, den Rechnungsabschluss und die Planungen für die kommenden Jahre. Obwohl er die Eckwerte bereits bei der Delegiertenversammlung 2020 benannt habe, sei er nun bei der Planaufstellung doch wieder sehr erschrocken gewesen, wie der finanzielle Druck von Jahr zu Jahr zunehmen werde. „Eine spürbare Verringerung des Personalstamms an der EJW-Landesstelle scheint nach jetzigem Stand unausweichlich und Maßnahmen wie der Wegfall der Jahressonderzahlung, wie zuletzt Mitte der 1990er in der EJW-Landesstelle, sind denkbar. Auch die Erhöhung des Landesbeitrages wird in Betracht zu ziehen sein“, so der Geschäftsführer bei der Einbringung der Haushaltszahlen.

Neuer Vorstand gewählt

Turnusgemäß wurde ein neuer Vorstand gewählt. Dabei ist Andreas Lämmle (53 Jahre, Altensteig), Notar in Calw, mit großer Mehrheit in seinem Amt als Vorsitzender des EJW wieder bestätigt worden. Als stellvertretende Vorsitzende wurden Julia Hermenau Oliveira (32 Jahre, Stuttgart), Lehrerin an der Goldwiesenschule in Echterdingen, und Paul-Gerhard Stäbler (44 Jahre, Esslingen), Richter am Landessozialgericht Baden-Württemberg gewählt. Als weitere Vorstandsmitglieder wurden Leonie Baisch (23 Jahre, Pfullingen, Theologiestudentin), Ann-Katrin Brenner (30 Jahre, Herrenberg, Lehrerin), Robert Fingerle (30 Jahre, Ditzingen, Software-Architekt), Ann-Kathrin Hartter (33 Jahre, Tübingen, Wirtschaftswissenschaftlerin), Johanna Krohmer (34 Jahre, Pliezhausen, Nachhaltigkeitsmanagerin), Timm Ruckaberle (37 Jahre, Kirchberg an der Murr, Schulleiter einer Realschule) gewählt. Die ausscheidenden Mitglieder des Vorstands Tina Dautel und Ulrich Steinestel wurden mit der Goldenen EJW-Nadel, sowie Kerstin Schubert und Ruben Kirchner mit der Silbernen EJW-Nadel geehrt.

Gesprächsformat zum Thema „Queer Sein“ eingerichtet

Auf Antrag des EJW Bezirk Mühlacker haben die Delegierten mit großer Mehrheit beschlossen, dass es ein Gesprächsformat auf Landesebene zu Fragen des „Queer-Seins“ geben wird. Ziel dieser Veranstaltung ist es, einen offenen Austausch zu ermöglichen. Über die Ergebnisse der Gespräche soll in der Delegiertenversammlung im Mai 2023 berichtet werden.

Demokratiebildung in der Jugendarbeit – noch Luft nach oben

Im Auftrag der Evangelischen Landeskirche in Württemberg hat die Evangelische Hochschule Ludwigsburg im Rahmen des Projektes „Kirche stärkt Demokratiebildung“ das Forschungsprojekts „Demokratiebildung in der Jugendarbeit“ durchgeführt, an dem die BUNDjugend, das EJW und die Jugend des DAV mit insgesamt 35 junge Leute zwischen 16 und 36 Jahren beteiligt waren. Ziel des Projektes ist es, Impulse für die Jugendarbeit vor Ort zu geben. Prof. Dr. Rolf Ahlrichs von der EH Ludwigsburg und Dr. Stefan Hoffmann, Projektmitarbeiter an der EH Ludwigsburg, berichteten von überraschenden Ergebnissen. So sei deutlich geworden, dass die Schulungen im Rahmen der bundesweiten juleica (Jugendlleiter*innen-Card) bei diesem Thema keine Rolle spielen. „Die Reflexion demokratischer Entscheidungsprozesse hängt von konzeptionellen Selbstverständnissen, Traditionen und Prägungen der Jugendverbände ab“, so die beiden Forscher. Sie stellten auch fest, dass die Teilnehmende nicht in allen Jugendverbänden Anteil an der demokratischen Mitbestimmung haben und dass die Erwachsenenverbände nicht auf Augenhöhe mit dem Jugendverband auf Augenhöhe kommuniziere. Meist gehe es dort vor allem um Macht, Geld und Bürokratie. Hoffmann betonte, dass es im Bereich des EJW nicht in erster Linie darum gehe, verstärkt auf politischer Ebene aktiv zu werden, sondern um echte Beteiligung von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen in der örtlichen Gemeindearbeit, aber auch bei Freizeiten und in der Gremienarbeit. „Wie muss eine Mitgliederversammlung in einem CVJM oder eine Delegiertenversammlung eines Bezirksjugendwerks gestaltet werden, dass wirkliche Mitbestimmung stattfinden kann?“. Diese Frage gab er den Delegierten am Ende mit auf dem Weg. Anna Mader, eine der Befragten, wünscht sich, dass sich Kinder und Jugendliche direkt mehr beteiligen können. Leonie Baisch, die auch an der Studie teilgenommen hat, betonte, dass es wichtig sei, über den eigenen Verband hinauszusehen. Sie sieht bei unterschiedlichen Jugendlichen noch viel Potential, das genutzt werden sollte. Für Stefan Hoffmann soll in Zukunft gelten: „Es gibt keinen anderen Ort, an dem sich Jugendliche besser engagieren und Demokratie lernen können als im EJW.“

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