16.01.2024 | Gisela Schweiker - Öffentlichkeitsarbeit EJW

Verabschiedung von Landesreferent Robby Höschele

Am 26. Januar 2024 wird Diakon Robby Höschele in den Ruhestand verabschiedet. Etwas über 40 Jahre war er in der Evangelischen Landeskirche in Württemberg hauptamtlich tätig. Neun Jahre als Stadtjugendreferent in Schwenningen/N., danach über 31 Jahre auf Landeskirchenebene als Referent für Musisch-kulturelle Bildung (MukuBi) im Landesjugendpfarramt, später im Evangelischen Jugendwerk in Württemberg als Landesreferent für Experimentelle Bildung mit Playing Arts, Jugendkirchen in Kirchenräumen und Bildung im Web und zuletzt zusätzlich als Landesreferent für Jugendpolitik.

Vor seiner Verabschiedung hat Andrea Mohn, Pressesprecherin des EJW, einige Fragen an Robby Höschele gerichtet.

Du warst seit 1992 Landesreferent für Musisch-kulturelle Bildung, seit 2011 für Experimentelle Bildung, seit 2018 nur noch zu 50% – die Jugendpolitik kam mit 50% dazu.
Dein Herz schlägt für Spiel, Kunst und die ästhetische Dimension des Glaubens und des Lebens. Wie würdest du dich mit drei Adjektiven beschreiben?

Dies wären meine drei Stichworte: Spiel, Kunst, Natur. Das sind jetzt keine Adjektive, vielleicht diese: lieber stehend und gehend statt sitzend, spielend, lieber zurückhaltend.

Hättest du fünf Minuten Zeit, welche Art der Performance würdest du für eine Vorstellung von dir wählen?

Meine Vorstellungsperformance würde wahrscheinlich eine zunächst ungewöhnliche, vielleicht etwas fremd wirkende Handlung sein, womöglich ein Experiment mit Stift und Papier. Aber gleich nach einem Intro würde ich alle Anwesenden ins Spiel locken, ins Mit-Spiel, vorsichtig, respektvoll, freundlich, aber durchaus herausfordernd. Und ich wäre dann ein Mitspieler unter anderen: Ich halte ein weißes Papier vors Gesicht und taste dieses mit einem schwarzen Wachsstift ab, vorsichtig, langsam, genussvoll oder richtig schwungvoll und schnell. Nicht nur mit einem Papier, wir machen das drei, vier, fünf Mal. Und immer zeichnet sich etwas Einzigartiges auf dem Papier ab.

Für unterschiedliche Workshops hattest du oft Hunderte von Tischtennis-Bällen, Klebeband, oder unterschiedliche Farben dabei. Mit was hast du am liebsten gearbeitet?

Ich habe die Fülle geliebt und die Vielfalt, gerne auch mal die Verschwendung. Viele Teilnehmende haben das auch geliebt. Manchen war die Fülle und Menge des angebotenen Materials aber schon auch mal zu viel und brachte sie an den Rand zur Überforderung bei der Auswahlentscheidung.

Eine Facette von Playing Arts ist, Dinge, Themen, Materialien, auch Menschen zusammen zu bringen, in ein Zusammenspiel zu bringen, die eigentlich „normalerweise“ nichts miteinander zu tun haben. Da kann schon mal ein Laubbläser und ein mit Textfetzen beschriebener Stapel Papier zusammenkommen oder Bauschaum mit Feinstrumpfhosen oder blaue Farbe und nackte Haut.

Übrigens: es waren zu Beginn 10.000 Tischtennisbälle, die wir für das warming up eines Bildungskongresses angeschafft haben und es waren bestimmt einmal weit über tausend Rollen verschiedenster Klebebänder – wunderbare Spielmaterialien.

Ein sehr berührender Moment war, als vor zwei Jahren im playingarts:lab aus braunen Pappschachteln im Zusammenspiel mit farbigem Paketklebeband im Atelierhaus des Hohenwart Forums ein raumfüllendes Mobilé entstanden ist. In der Dunkelheit mit Taschenlampen beleuchtet, zeigte sich so ein zauberhaftes Bewegungsspiel der farbigen Objekte im Mobilé und deren Schatten, die sich an den weißen Wänden abzeichneten.

Playing Arts ist ein Teil der experimentellen Bildungsräume und es gab zu dem Thema vielseitige Angebote. Eines der Ziele von Playing Arts ist es, schöpferische Kräfte zu wecken und im Spiel neue Wirkungsräume zu eröffnen. Was waren denn deine Highlights? Gab es besondere Erlebnisse, die du gerne teilen möchtest?

Das kann hier nur eine kleine Auswahl sein. Das playingarts:atelier 2023 im Projektraum des Kunstvereins Wagenhalle e.V. in Stuttgart mit über 30 Teilnehmenden steht für mich als ein Höhepunkt in einer über 20-jährigen Geschichte dieses Bildungsformats fürs ästhetisch-kreative Experiment. Sehr gefreut habe ich mich über die Würdigung meiner Arbeit am letzten gemeinsamen Abend.

Das playingarts:lab war über 20 Jahre ein Fortbildungsformat, in dem Menschen im geschützten Raum mit künstlerischen Mitteln die Grenzen ihrer Normalzone überschreiten und etwas riskieren konnten, etwas für sie gänzlich Neues ausprobieren konnten. Unvergessen sind die vier Personen, die sich mit Haut und Haaren in blaue Körperfarbe gehüllt haben und in einem bezaubernd poetisch-performativen Spiel Körperbilder kreiert haben. Solcherlei förderliche „Grenzüberschreitung“ gab es oft.

Meine Mitarbeit in der Stuttgarter Jugendkirche in den Werkstatt-Tagen mit Schulklassen, den Pfingstwerkstätten und den öffentlichen Pfingstnächten waren über mehrere Jahre immer wieder ein Highlight. Kirchenräume bergen und bieten so viel Potenzial. Einfallslosigkeit, Tradition und zähmendes Mobiliar verstellen so oft den ganzen Spielraum.

Ich habe aus über 20 Jahren rund 60.000 Fotos. Da sind die Fülle und die Reichhaltigkeit wie in einem Schatz versammelt und natürlich alle Highlights.

Gab es eine persönliche Erfahrung im Bereich „Playing Arts und Spiritualität“ die dich sehr berührt hat und von der du noch berichten möchtest?

Es sind die Pfingstnächte in der Jugendkirche. Waren es in meiner Zeit als Jugendreferent in Schwenningen die Osternächte, so waren es in den Jahren 2006-2012 die Pfingstnächte in der Stuttgarter Jugendkirche, die ich dort als Kooperationspartner und Teil eines wunderbaren Teams mitgestalten und miterleben konnte. Wir haben der Farbe ROT und dem WIND (und vielem anderen mehr) und den Menschen, die kamen, einen großen Spielraum gegeben. Diese Bemerkung am Ende der Pfingstwundererzählung gehört für mich zu den ganz starken Sätzen, die zudem die Idee von Playing Arts berühren (Apg. 2, 12): „Sie entsetzten sich aber alle und waren ratlos und sprachen einer zu dem anderen: Was will das werden?“

Die Neuerfindung der Atelierkirche (in anderer Form soll es den Begriff schon in den 70er und 80er-Jahren gegeben haben), als ein Projekt zum Deutschen Evangelischen Kirchentag 2015 in Stuttgart in der Brenzkirche und mit Verbündeten in Wernau waren wirkliche Experimente des ästhetischen spirituellen Ausdrucks.

Und überhaupt empfinde ich die Unverfügbarkeit des Spiels selbst als eine mich immer wieder berührende spirituelle Dimension.

Seit 2018 bist Du im EJW auch für die jugendpolitische Vertretung des EJW und für politische Bildung verantwortlich. Welche Herausforderungen und Chancen siehst Du für die christliche Jugendarbeit im gesellschaftlichen Diskurs? Weshalb ist das Thema Demokratiebildung für einen Jugendverband immer tagesaktuell?

Demokratiebildung gehört nach meiner Auffassung zu den wichtigsten Aufgaben, die selbst gesetzlich und in der Landesverfassung von Baden-Württemberg für die Arbeit eines Jugendverbandes vorgesehen sind. Diese Aufgabe hat viele Facetten. In unserer Zeit ist Demokratie nicht mehr so selbstverständlich und ungefährdet, wie wir das lange angenommen haben. Mit den Feinden der Demokratie muss die Auseinandersetzung geführt werden und dazu muss man sich auskennen und man muss gut Bescheid wissen. Gespräch, Diskussion und die Praxis des eigenen demokratischen Handelns (eben auch innerhalb des Jugendverbands) und die kontinuierliche Reflexion dieses Handelns sind dabei unerlässlich.

Christliche Jugendarbeit muss sich geradezu mit all den gesellschaftlichen Themen befassen, die für junge Menschen und ihre Zukunft relevant sind und eine politische Bedeutung haben. Dafür geben z.B. die letzten beiden der vier EJW-Ziele eine unmissverstehbare Richtung an. Solches Befähigen junger Menschen und solche Interessenvertretung darf gerne noch mehr in ökumenischer Verbundenheit geschehen. Aber schon allein die Struktur evangelischer Jugendarbeit im Bundesland ist dafür mit ihrer vielfältigen Unübersichtlichkeit oft nicht gut genug geeignet.

Welchen Menschen, Hobbies und Aufgaben möchtest du nach deiner Zeit im EJW mehr Zeit widmen?

Zunächst werde ich den hoffentlich entstehenden (termin-)freien Raum genießen. Ich möchte öfter mehrtägig wandern – nicht nur dann, wenn ich es ein halbes Jahr vorher schon in den Kalender eingetragen hatte, sondern auch spontan dann, wenn das Wetter passt, und ich werde viel schwimmen. Ich möchte aber auch meiner schöpferischen Energie, meiner Lust am Spiel und meinem Interesse an den Künsten mehr Raum geben. Dafür habe ich – wie ein zufälliges Geschenk – einen kleinen Atelierraum im Living Museum Alb, einem künstlerischen Arbeitsbereich der Bruderhaus Diakonie in Buttenhausen, gefunden. Darüber freue ich mich sehr.

Klar, ich möchte den Menschen mehr Zeit widmen, die mir nahe sind. Vielleicht gehören dazu neben meiner Familie, Freundinnen und Freunden auch mal jene Gäste, die ich in einem Café oder einer Kneipe bedienen darf.

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