Hauptamtliche aus dem „Netzwerk Junge Gemeinden“ in Württemberg haben eine Definition erarbeitet, die beschreibt, was Junge Gemeinden sind. Diese Definition besagt, dass eine Junge Gemeinde eine Form von Kirche ist, die sich an einer den Lebenswelten junger Menschen orientiert. Sie lebt Gemeinde mit jungen Menschen – gerade auch mit denen, für die „Kirche“ vorher bedeutungslos war.
Gemeinde und Kirche (ekklesia) lässt sich an Hand von vier bleibende Kennzeichen (notae ecclesiae) beschreiben und lebt vier Dimensionen von Beziehung. Das Programm ist zweitrangig und dient vor allem dem Aufbau einer neuen Beziehungsqualität. Die vier Beziehungsebenen sind:
UP: Die Liebe zu Gott – intensiv gelebte Spiritualität – Kirche ist heilig (sancta)
IN: Die Liebe untereinander – tragfähige und authentische Gemeinschaft – Kirche ist eins (una)
OUT: Die Liebe zur Welt – eine klare Berufung und Sendung (Mission) – Kirche ist gesandt (apostolica)
OF: Die Liebe zur ganzen Kirche (geschichtlich und weltweit) – gelebte Ökumene auch vor Ort – Kirche ist umfassend (catholica)
Das Verständnis von „Gemeinde“ orientiert sich im Evangelischen Jugendwerk in Württemberg am neutestamentlichen Begriff der „ekklesia“. Dieser umfasst die Gemeinde im Haus (Oikos-Gemeinde), aber auch die Gemeinde vor Ort. Darüber hinaus kann„ekklesia“ auch für die Gemeinde in der Provinz und für die Weltkirche (ekklesia tou theou).
Ein Bild kann verdeutlichen, wie vielgestaltig Gemeinde im Neuen Testament gedacht und gelebt wird. Wie Wasser in der Gestalt von Dampf, einem Gartenteich, einem Fluss oder Ozean ganz unterschiedlich konkret wird, so kann auch „ekklesia“ unterschiedliche Formen und Größen haben und ist eher ein Netzwerk mit verschieden großen Knotenpunkten als ein abgegrenzter Bezirk. Der Gemeinde-Begriff ist bisher – aus historischen Gründen – meist auf die Form der Orts-Gemeinde verengt.
Diese Definition wurde im Dezember 2013 vom Vorstand des Evangelischen Jugendwerks in Württemberg verabschiedet.
Junge Gemeinden sind weder das Hobby einiger Idealisten noch ein Randphänomen der Jugendarbeit. Sie sind Teil einer zukünftigen Kirche. 7 gute Gründe für Junge Gemeinden:
„Das Besondere Evangelischer Jugendarbeit ist ihr Verkündigungsauftrag“. Dieser Satz aus der Ordnung des Evangelischen Jugendwerks in Württemberg (EJW) definiert programmatisch, was an christlicher Jugendarbeit einzigartig ist. Wo aber verkündigt wird, kann und soll Glaube entstehen. Dieser ist nie Privatsache, sondern führt zu christlicher Gemeinschaft. Die Frage ist dann nur, wie wir diese junge christliche Gemeinschaft bezeichnen. Wir nennen sie Junge Gemeinde.
Neu war, dass in den 1980er und 1990er Jahren in der Jugendarbeit die „Feier des Glaubens“, also der Jugendgottesdienst, Bedeutung gewann. An den Orten, an denen Jugendgottesdienste häufig und intensiv gefeiert werden, entsteht ein Gemeindebewusstsein. Wir nennen das Junge Gemeinde.
Einheit ist für die Gemeinde Jesu Christi unverzichtbar und alle Formen von Vernetzung im Leib Christi sind deshalb wichtig. Einheit aber bedeutet nicht Eintönigkeit und Einheitlichkeit. In einer Gesellschaft, die sich in Lebenswelten und Milieus ausdifferenziert, braucht es um der Nähe zu den (jungen) Menschen willen unterschiedliche Gemeindeformen. Eine davon ist Junge Gemeinde.
„Von der Wiege bis zur Bahre – eine Ortsgemeinde für alle“. Das stimmt mit der Lebensbiographie der meisten Menschen heute nicht mehr überein. Gerade junge Menschen brauchen in ihrem Lebensabschnitt einen Freiraum, um eine Gemeinde entwickeln zu können, die ihre Lebensfragen, ihre Musikkultur, ihr Lebensgefühl ernstnimmt. Wir nennen das Junge Gemeinde.
Gerade Junge Gemeinden bieten viele Möglichkeiten zur Mitarbeit, ob im Technikteam oder beim Catering, in der Band, als Predigerin oder in der Moderation. Hier können Jugendliche und junge Erwachsene sich ausprobieren, auch Fehler machen. Und lernen sie auch geistliche Leitungsverantwortung zu übernehmen. Wo das geschieht, wächst Junge Gemeinde.
Unsere Landeskirchen kennen fast nur die Form der Parochie und Ortsgemeinde, geprägt von unserer staatskirchlichen Geschichte. Aber sowohl die lutherischen Bekenntnisschriften (CA VII) als auch ein neutestamentliches Verständnis von „ekklesia“ eröffnen einen großen Freiraum Gemeinde auch interaktiver, netzwerkartiger und flüssiger zu denken – z.B. als Junge Gemeinde.
Damit auch die nächste Generation sich mit Kirche identifiziert (und nicht mit freikirchlichen Modellen liebäugelt), braucht es einen „Aneignungsprozess“. Erste Erfahrungen zeigen, dass junge Menschen von „ihrer“ Kirche reden, wenn sie Gemeinde mitgestalten und prägen können. Ein wesentlicher Aspekt einer zukunftsfähigen Landeskirche besteht im Freiraum für Junge Gemeinden.
Worin besteht der Unterschied zu Jugendkirche, Jugendgottesdiensten und Fresh X?
Im Unterschied zur Jungen Gemeinde steht Jugendkirche für ein Konzept mit einer stärkeren Raumorientierung. Die Jugendarbeit bekommt dabei meist einen Kirchen-Raum zur Verfügung gestellt und kann diesen prägen und gestalten. In Jugendkirchen gibt es oft vielfältige, niederschwellige Angebote, was aber auch mehr Ressourcen (Hauptamtliche, Finanzen) erfordert. Auch eine Jugendkirche wird auf Dauer nicht ohne „Hochverbundene“ auskommen. Der Kern der Engagierten wird dann auch eine Form von „Junger Gemeinde“ leben.
Viele junge Gemeinden haben einen Jugendgottesdienst als Mittelpunkt, der meist vierzehntägig oder wöchentlich gefeiert wird. Aber über den Jugendgottesdienst und den Event hinaus bildet sich bei einer Jungen Gemeinde so etwas wie ein Gemeindebewusstsein und ein vielfältiges Gemeindeleben. Dieses wird die vier in der Definition genannten Beziehungs-Dimensionen widerspiegeln und lässt sie konkret werden.
Junge Gemeinden können auch als ein Teil der „fresh expressions of church“ – Bewegung gestehen werden. Während Junge Gemeinden sich auf jugendliche Zielgruppen fokussieren, richten sich Fresh X altersübergreifend an alle kirchenfernen Zielgruppen und Milieus. Eine Fresh X im engeren Sinn wird aber nicht mit einer gottesdienstlichen Veranstaltung starten, sondern mit dem in der Definition genannten Hören und Dienen, mit dem Aufbau von Gemeinschaft und der Einladung in die Nachfolge. Ein Gottesdienst kann hier am Ende stehen, muss aber nicht. Es geht um die vier gelebten Beziehungsdimensionen und nicht um ein vorgegebenes Programm.