Von Mitte Februar bis Anfang März 2025 war eine Gruppe von 11 Personen aus dem EJW-Weltdienst zum Workcamp in Chile. Eingeladen von der lutherischen Seegemeinde am Llanquihue-See und mit Unterstützung des Gustav-Adolf-Werks Württemberg (GAW) ging es darum, einen neuen Versammlungsraum im Jugendcamp von Puerto Fonck zu bauen.
In Santiago de Chile angekommen, wurde die Gruppe aus dem EJW-Weltdienst am Flughafen empfangen von Vikar Karl Michael von der lutherischen Erlöserkirche in Santiago. Die Lutherische Kirche in Chile (ILCH) ist 1975 aus der Ev.-Lutherischen Kirche in Chile (IELCH) hervorgegangen. Auseinandersetzungen um die Rolle und Position der Kirche angesichts der gewaltsamen Machtübernahme durch General Pinochet führten damals zur Spaltung. Die heute 10 Gemeinden der ILCH befinden sich in Santiago und im Süden des Landes.
Im Gemeindehaus begrüßte der Präsident der Nationalkirche ILCH, Walter Dümmer, (vergleichbar in Deutschland mit der Präses der EKD) die Gruppe. Hans-Joachim Janus überbrachte für den EJW-Weltdienst die herzlichsten Grüße aus dem EJW. Ebenso auch die von Enno Haaks, dem Generalsekretär des Gustav-Adolf-Werks Deutschland, der Pfarrer der Versöhnungsgemeinde in Santiago war.
Entdeckungstour durch ein wunderbares Land
Vikar Pablo Catrileo führte die Gruppe durch Patagonien. In Coyhaique benannt von den Ureinwohnern als „Land zwischen den Wassern“ führt die Wanderung durch den Reserva Nacional. Weiter gings zum Queulat National Park. Er wurde 1983 eingerichtet, umfasst Urwälder auf einer Fläche von 154.000 Hektar und zieht sich in verschiedenen Höhenstufen vom Meer hinauf bis auf 2.225 Meter. Man überquert eine beeindruckende Hängebrücke und erreicht dann die Laguna Témpanos. Per Boot kann man zum Wasserfall am anderen Seeende fahren. Oder man wandert durch schönsten Urwald hinauf zur wunderbaren Aussicht auf den Ventisquero Colgante, den „Hängenden Gletscher“.
Auch der Pumalín-Park von Junta, der zu den schönsten Naturparks in ganz Chile gehört, wurde besucht. Er gilt in Sachen Infrastruktur und Umweltschutz als Vorbild, beides wichtige Themen für den EJW-Weltdienst. Naturlehrpfade und Biogärten sind Teil dieses ökologisch-soziales Projektes. Mit der Fähre ging es zur Insel Chiloé. An der von Buchten und Fjorden zerfransten Ostküste sind die meisten Siedlungen. Die dem Pazifik zugewandte Westseite ist weitgehend unberührte Wildnis. Hier erstreckt sich ein weiterer großer Nationalpark. Bekannt ist die Insel für ihre 150 Holzkirchen, die bis zum Ende des 19. Jahrhunderts erbaut wurden. Sie sind mit Holzschindeln und/oder bunt bemaltem Blech verkleidet.16 Kirchen wurden in die UNESCO-Liste des Weltkulturerbes aufgenommen.
Workcamp in Puerto Fonck
Welch ein Ausblick! Mit Blick auf den Vulkan Osorno mit 2.650 m steht die Gruppe im Freizeitcamp der Lutherischen Kirche in Chile (ILCH). Puerto Fonck ist ein absoluter Traum. Inmitten atemberaubender Natur, direkt am Fuße des wunderschönen Llanquihue-Sees. Auf dem Gelände stehen 10 Holzhäuser, die sich um eine Kirche und ein großes Versammlungshaus mit Küche gruppieren. Die Gruppe wurde empfangen von Rudolf Klein, dem Präsidenten der Seegemeinde, und Handwerkern, die der Gruppe aus dem EJW-Weltdienst das Bauvorhaben erläuterten. Das Camp in Puerto Fonck ist für die Lutherische Kirche in Chile (ILCH) von großer Bedeutung, weil dort in den Sommermonaten die zentralen Freizeiten für ganz Chile stattfinden. Vamos Workcamp und dann gings los.
Zentrales Bauvorhaben ist, den Speise- und Versammlungssaal mit Küche zu sanieren. Zunächst war angedacht, das sanierungsbedürftige Dach zu erneuern. Später wurde dann entschieden, nicht den alten Speise- und Versammlungssaal zu sanieren, sondern einen neuen zu bauen. Als Umsetzungsidee dafür wurde dem EJW-Weltdienst vorgestellt, gleichsam um das bestehende Gebäude herum den Neubau zu realisieren und nach dessen Fertigstellung das alte Gebäude abzureißen. Damit war klar, dass im Rahmen des Workcamps nur erste Bauarbeiten möglich, nicht aber eine komplette Fertigstellung realisierbar ist.
Ein besonderes Ereignis innerhalb des Workcamps war das gemeinsame Sommer- und Gemeindefest mit der Seegemeinde am Sonntag Invokavit. Die Festvorbereitungen starten bereits am Samstag mit der Reparatur eines der Grills durch die württembergischen Ingenieure. Obwohl schlechtes Wetter vorhergesagt war, kamen rund 100 Gemeindeglieder aus allen Teilgemeinden zusammen, um miteinander Gottesdienst zu feiern, Mittag zu essen und den Nachmittag gemeinsam mit Begegnungen, Gesprächen, einer spannenden Tombola sowie Kaffee und Kuchen zu genießen.
In der zweiten Woche wurden die Bauarbeiten am Fundament des neuen Versammlungssaals abgeschlossen, so dass nach dem Abbinden des Betons dann mit dem Aufstellen der Pfosten und den Fußpfetten für das Dach begonnen werden kann. Fuß- und Firstpfetten sowie die Dachsparren und auch die notwendige Blechverkleidung des Daches hat die Seegemeinde bereits vom Baugeld des EJW-Weltdienstes eingekauft. Das Material wurde während des Workcamps angeliefert, so dass – wenn alles gut geht – das Dach noch vor dem chilenischen Winter aufgerichtet werden kann. Auch die Treppe hinunter zum Llanquihue-See konnte fertiggestellt werden, so dass für die nächsten Freizeiten vor allem für die Kinder der Zugang deutlich leichter erreichbar ist.
Zur Geschichte der lutherischen Kirchen in Chile
Der Wunsch, neu anzufangen, vereinte die deutschen Einwanderer, die im 19. Jahrhundert nach Chile kamen. Einige von ihnen beschlossen nach den Unruhen von 1848, Deutschland zu verlassen. Andere hofften auf dem Land, das ihnen die chilenische Regierung geliehen hatte, wirtschaftlich neu anfangen zu können. Gemeinsam war ihnen die gleiche Sprache und ihre deutsche Identität. So ist es leicht zu verstehen, dass die deutsch-chilenischen Institutionen Orte waren, an denen ihre Traditionen und ihre Identität bewahrt und gepflegt wurden. Mit der Gründung der ersten deutschsprachigen evangelischen Gemeinde im Jahr 1863 begann die Kirche, Teil dieser Identität zu werden. Auf Initiative des Naturisten Rudolf Amandus Philippi half das Gustav-Adolf-Werk, die ersten Pfarrer zu finanzieren, die aus der deutschen Heimat kamen. Der erste kam 1865, dem viele weitere Kollegen folgten. Aufgrund der weiten Wege und der Komplexität der Aufgaben konnten sie erst 1906 auf der Synode von Chile zusammenkommen, wo sie eine Organisation der deutschsprachigen chilenischen Gemeinden bildeten. 1959 fand das lutherische Bekenntnis ausdrücklich auch im Namen „Iglesia Evangelica Luterana en Chile“ (IELCH) seinen Ausdruck.
Der Militärputsch von 1973 veränderte die kirchliche Landschaft in Chile. Vor allem die Initiative für Menschenrechte, die der damalige Vorgesetzte Helmut Frenz zum Teil seiner Arbeit machte und seine Klagen gegen die Militärregierung wurden von vielen deutschstämmigen Angehörigen kritisiert. Die Diskrepanzen waren so groß, dass selbst die Vermittlungsversuche der EKD erfolglos blieben. Zu viele Differenzen gab es über das Wesen und die Sendung der Kirche Christi. Vertreter der Gemeinden in Frutillar, La Unión, Osorno, Santiago, Temuco und Valdivia gründeten 1975 die „Lutherische Kirche in Chile“ (ILCH). Ebenso verließen die Gemeinden Puerto Montt und Valparaíso die IELCH und wurden später, Anfang der 90er Jahre, in die ILCH eingegliedert. Aufgrund der Erfahrungen während der Konflikte der Kirche, insbesondere zwischen Geistlichen und Laien, wird die neue Kirche bis heute als eine Kirche der Laien verstanden. Die kirchliche Leitung und die Verwaltungsleitung waren klar getrennt. Sie wählten einen Laien zum Präsidenten der Kirche. Heute gehören zur ILCH 10 Gemeinden mit 23 Pfarreien und insgesamt 10.000 Mitgliedern.
Der ILCH bekennt sich zur Ökumene: Seit 1991 gehört sie dem Lutherischen Weltbund an. 1993 wurde eine Vereinbarung zwischen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und dem ILCH geschlossen. Seit 1981 arbeiten ILCH und IELCH im Lutherischen Kirchenrat in Chile zusammen, auch wenn es aus historischen Gründen Unterschiede gibt, die eine Zusammenarbeit in Teilen auch erschweren.