Die Gesetzesreform des Reiserechts bringt grundlegende Änderungen mit sich, die für alle ab dem 17. Juli 2024 geschlossenen Pauschalverträge gelten.
Als ob das neue Datenschutzrecht nicht schon genug Änderungen mit sich gebracht hätte: gerade hatten wir begonnen, uns auf die DS-GVO (in ihrer evangelischen Ausformung, dem DSG-EKD) einzulassen, da kam schon die nächste auch für die Jugendarbeit grundlegende Gesetzesreform:
Am 17. Juli 2018 traten die neuen §§ 651 a ff. BGB in Kraft, die das bisherige Reiserecht auf neue Füße stellten. Alle Pauschalreiseverträge, die ab diesem Tag geschlossen wurden, mussten sich nun nach diesen Vorschriften richten.
Allerdings war der deutsche Gesetzgeber hier nicht sehr frei, denn er musste das Gesetz wegen einer europäischen Richtlinie ändern. Die Richtlinie (EU) 2015/2302 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2015 hatte die EU-Mitgliedstaaten verpflichtet, bis zum 1. Januar 2018 die entsprechende Umsetzung in staatliches Recht vorzunehmen.
Diese Richtlinie enthält zahlreiche Erwägungsgründe, die uns jetzt beim Verständnis und der Anwendung der neuen BGB-Vorschriften als Auslegungshilfe dienen.
1. Was war das Ziel der Reiserechts-Reform?
Durch die Reform sollte das Pauschalreiserecht an die digitale Wirklichkeit herangeführt werden, indem Online-Buchungen besser abzusichern waren. Weiterhin sollten Reisende dadurch entlastet werden, dass ihnen ein verbesserter Insolvenzschutz und mehr Informationen gewährleistet wurden.
Leider führt dies zu manchen Erschwernissen für Reiseveranstalter und somit auch für Träger der kirchlichen Jugendarbeit, die Freizeiten anbieten, denn auch eine Jugendfreizeit kann – bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen – eine Pauschalreise sein die unter das BGB-Reiserecht fällt.
Einer der neuen Vorschriften (§ 651h Abs. 3 BGB) musste seit 2020 coronabedingt mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden, als der Gesetzgeber wohl geahnt hat.
2. Vorliegen einer Pauschalreise – die neue Definition
§ 651a Abs. 2 S. 1 BGB definiert (seit 2018) erstmals eine Pauschalreise als eine Gesamtheit, eine Art „Paket“ von mindestens zwei verschiedenen Arten von Reiseleistungen für den Zweck einer einzigen Reise, hier eine erläuterte Zusammenfassung:
a) Zwei verschiedene (Haupt-)Reiseleistungen für dieselbe Reise
Eine Pauschalreise ist also eine Gesamtheit von mindestens zwei verschiedenen Arten von Reiseleistungen für den Zweck derselben Reise. Es muss sich also um die Kombination aus min. zwei der im Gesetz genannten vier Kategorien (Reiseleistungen) handeln:
i.) Die Beförderung von Personen
Mit der Beförderung von Personen ist die hier der Personentransport aus einem weiteren Umfeld gemeint, z. B. durch Flug, Schiff, Bahn- oder Busfahrt usw.
ii.) Die Beherbergung von Personen (außer zu Wohnzwecken)
Unter Beherbergung versteht man alle Leistungen, die eine Übernachtung ermöglichen (in Hotels, Pensionen, Jugendherbergen, Wohnwägen, aber auch das Bereitstellen von Zelten).
iii.) Die Vermietung von (bestimmten) Kraftfahrzeugen
Das Gesetz enthält hier eine Aufzählung der betroffenen Fahrzeuge (vierrädrige mit einer Höchstgeschwindigkeit von 25 km/h und zwei-/dreirädrige mit einem Hubraum von 50 mł und mehr und einer Höchstgeschwindigkeit von 45 km/h und mehr).
iv.) Sonstige touristische Leistungen
Dieser Auffangtatbestand erfasst jede andere touristische Leistung, die nicht Reiseleistung im Sinne von Punkt 1 bis 3 ist, aber nur, wenn auf sie weniger als 25 % des Gesamtwertes entfallen.
Doch was sind „touristische Leistungen“? Erwägungsgrund 18 der Richtlinie (s. o.!) nennt beispielhaft folgende Aktionen: Kurse (z.B. Sprachkurs, Sportkurs), Skipass, Eintritt in einen Wellness-Tempel, Besuch von Kultur- oder Sportveranstaltungen, Ausflugsprogramm oder sachverständige Reiseführer mit Spezialisierung (Kunst, Geschichte), oder auch organisierte Ausflüge.
Andere touristische Leistungen können weiterhin Eintrittskarten für Konzerte oder Vermietung von Sportausrüstungen (etwa Skiausrüstungen) sein.
Keine Touristischen Leistungen sind dem Gesetz zufolge aber Reiseleistungen, die „wesensmäßig Bestandteil einer anderen Reiseleistung“ sind. Was ist jetzt das?
Gemeint sind damit sogenannte Nebenleistungen, die einer der Hauptleistungen nach Umfang und Aufwand untergeordnet sind und der Reise kein eigenständiges „Gepräge“ geben. So gehören zu einer Unterbringung regelmäßig Dinge wie Mahlzeiten, Getränke oder manchmal auch Wohnungsreinigungen, Zugang zu hoteleigenen Einrichtungen wie Schwimmbad, Sauna, Wellnessbereich oder Fitnessraum.
Auch im „typisch christlichen“ Rahmen bestimmter Einrichtungen dürften Dinge wie Andachten, Gebetszeiten oder sonstige liturgische Elemente oft zur üblichen „Unterbringung“ gehören, ohne ein eigenständiges, neues Gepräge zu schaffen.
Anwenderfreundlich ist in Übereinstimmung mit dem Erwägungsgrund 18 der Richtlinie für eine solche Hauptleistung ein Schwellenwert von mindestens 25 % des Gesamtwerts normiert. D. h., wenn zwar eine im Gesetz genannte mögliche Reiseleistung vorliegt, diese aber mit einer (oder mehreren) anderen touristischen Leistung kombiniert wird und diese andere touristische Leistung kein wesentliches Merkmal der Reise und weniger als 25 % vom Gesamtwert der Reise ausmacht, liegt keine Pauschalreise vor.
Das Gesetz schließt ebenfalls solche Reiseleistungen aus, die erst nach Beginn einer Reiseleistung, z. B. nach dem Einchecken beim Träger bzw. in der Unterkunftsstätten gebucht werden. Allerdings sollte durch eine solche bewusste Praxis nicht die Stellung als Reiseveranstalter umgangen werden.
b) Konsequenz: Gemietete Ferienhäuser oder Ferienwohnungen nicht mehr reiserechtlich abgesichert
Gibt es mit gemieteten Ferienhäusern oder -Wohnungen Probleme, so gilt grundsätzlich das Mietrecht des jeweiligen Landes, nicht wie bisher das Pauschalreiserecht (da die Buchung) eine Einzelreiseleistung darstellt und nicht als Paket zum Pauschalreiserecht führt.
3. Definition Reiseveranstalter – Gewerbliche Tätigkeit als Unternehmer
Maßgebliches Kriterium ist die unternehmerische Tätigkeit des Reiseanbieters. Der Unternehmerbegriff kann analog zu § 14 BGB verstanden werden, Unternehmer ist, wer am Wirtschaftsleben teilnimmt. Das ist auch bei kirchlichen und gemeinnützigen Organisationen und Institutionen der Fall. Das gilt unabhängig davon, ob er sich selbst als Reiseveranstalter versteht oder bezeichnet, oder ob er diese Stellung sogar ganz ablehnt.
Der Unternehmer (Reiseveranstalter) ), der das Paket zusammenstellt, hat diese Pauschalreise „zu verschaffen“, betont das Gesetz, also in eigener Verantwortung zu erbringen.
Die neuen Vorschriften erfassen neben dem Reiseveranstalter auch den Reisevermittler und die neue Kategorie der „Vermittler verbundener Reiseleistungen“. Letztere spielen dann eine Rolle, wenn eine Vermittlungsstelle bei einem einzigen Kontakt zwei verschiedene Arten von Reiseleistungen vermitteln, ohne dass es sich um eine einzige Pauschalreise handelt. Auch für diese Fälle wird ein gewisser Basisschutz geschaffen.
4. Ausnahmen von den Vorschriften über Pauschalreiseverträge
Dabei gibt es einige Ausnahmen: Keine Pauschalreise sind private Gelegenheitsreisen, Tagesreisen, bestimmte Geschäftsreisen und Gastschulaufenthalte.
a) Ausnahme 1: Nur gelegentlich, keine Gewinnerzielungsabsicht, begrenzter Personenkreis (kumulativ)
Die Vorschriften über die Reiseveranstaltung finden keine Anwendung, wenn die Reisen werden „nur gelegentlich, nicht zum Zwecke der Gewinnerzielung und nur einem begrenzten Personenkreis angeboten“ werden. Gemeint sind nicht gewerbliche Veranstalter, wie Vereine, Schulen, Kirchen oder Privatpersonen
EU-Richtlinie Erwägungsgrund 19 S. 2: „Zu Letzterem können etwa Reisen gehören, die lediglich wenige Male im Jahr von Wohltätigkeitsorganisationen, Sportvereinen oder Schulen für ihre Mitglieder veranstaltet werden und die nicht öffentlich angeboten werden.
i.) Nur gelegentlich, nichtgewerbliche Beförderung
„Gelegentlich“ bedeutete nach ursprünglicher Interpretation bis 30.06.2018, dass maximal 2-3 Reisen je Jahr angeboten werden dürfen. Mittlerweile sind manche Reiserechtler aber offenbar soweit, dass dies durchaus auf bis zu 5-8 Angeboten pro Jahr ausgeweitet werden kann, ohne den Status als Gelegenheitsveranstalter zu verlieren. Solange eine verlässliche Rechtsprechung hierzu fehlt, sollte man aber vorsorglich bei der alten Auslegung bleiben (nicht mehr als 2-3 Reisen im Jahr). Dazu muss aber auch das Kriterium „bei Gelegenheit“ kommen, die Reisen dürfen also nicht im Voraus nach einem Jahresprogramm geplant sein.
Fehlt eine dieser Voraussetzungen ist man Pauschalreiseveranstalter, der die Vorschriften des BGB beachten muss (und diese durch eigene AGB bzw. Reisebedingungen ergänzen / modifizieren kann).
ii.) Keine Gewinnerzielungsabsicht (nicht zum Zweck der Gewinnerzielung)
Eine solche Gewinnerzielungsabsicht lässt sich erkennbar vermeiden, indem man sie Reise z. B. zu den kalkulierten voraussichtlichen eigenen Selbstkosten anbietet. Ergibt sich später (unerwartet) dennoch ein Gewinn, so ist dies unschädlich, der „Gewinn“ muss auch nicht erstattet werden.
iii.) Begrenzter Personenkreis
Begrenzt ist ein Teilnehmerkreis, wenn er überschaubar und grob erwartbar ist (nicht z. B. „alle Jungs und Mädchen zwischen 7 und 14“). Außerdem muss der Personenkreis nach überprüfbaren Kriterien begrenzt sein (z. B Vereinsmitglieder, Angehörige einer Kirchengemeinde, Schüler*innen bestimmter Schulklassen eines bestimmten Ortes o. ä.). Auch hier sind einzelne Ausnahmen (also einzelne Personen, die ein Kriterium nicht erfüllen) unschädlich. Bei den vielen Zeltlagern sowie bei angebotenen Ferienfreizeiten innerhalb einer Kirchengemeinde oder eines CVJM dürfte die Ausnahme nicht greifen, weil die Teilnehmerzahl und/oder der Teilnehmerkreis häufig nicht konkret beschränkt ist.
b) Ausnahme 2: Die Tagesreise – Dauer weniger als 24 Stunden ohne Übernachtung und Kosten unter 500,00 € (Tagesausflüge)
Für Reisen, die weniger als 24 Stunden dauern und die keine Übernachtung beinhalten, soll das Reiserecht nicht anzuwenden sein, sofern der Reisepreis unterhalb von 500,00 € liegt. Tagesveranstaltungen oder Freizeiten einer festen Jugendgruppe sind also nicht betroffen.
(Vor dem 1. Juli 2018 galt das Pauschalreiserecht auch für Tagesreisen bis 500 Euro und Ferienwohnungen und Ferienhäuser aus dem Angebot von Reiseveranstaltern.)
Hochpreisige Tagesreisen (mehr als 500,00 €) fallen also unter das Pauschalreiserecht!
Inwieweit eine besondere Schutzbedürftigkeit von Tagespauschalreisen über 500 Euro vorliegen soll, ist aus unserer nicht unbedingt nachzuvollziehen, da solche hochpreisigen Tagesreisen in der Praxis (jedenfalls in der evangelischen Jugendarbeit) fast nicht vorkommen.
c) Ausnahme 3: B2B / Geschäftsreisen (Voraussetzung: Rahmenvertrag)
Die Reisen, die ein Unternehmer für sein Unternehmen, bzw. seine Mitarbeiter im Rahmen eines Rahmenvertrages bucht, sind ebenso vom Reiserecht ausgenommen. Dazu gehören auch „Geschäftsanbahnungs“-Reisen, also Verträge über Reisen, die der Veranstalter mit einem anderen Unternehmen abschließt, um so eine auf Dauer angelegten Geschäftsverbindung (für Zwecke des Unternehmens) zu schaffen.
6. Dem Pauschalreisevertrag ähnliche Verträge
Das Gesetz definiert nunmehr einige Leistungen, die nach der oben genannten Definition keine Pauschalreise sind oder wären und legt für diese eigene Pflichten fest:
a) Verbundene Leistungen
Mit der Gesetzesänderung wird der Begriff der Pauschalreise um den der „verbundenen Reiseleistungen“ (§ 651w BGB) erweitert. Vermittelt das Reisebüro oder die Vermittlungsplattform keine Pauschalreise, sondern stellt sich der Reisende seine Reise dort aus mehreren Einzelleistungen zusammen und bucht diese innerhalb von 24 Stunden, („verbindet“ sie) so liegt die Vermittlung von verbundenen Reiseleistungen vor.
Diese Praxis liegt also noch eine Stufe unter der reinen Vermittlung (s. u. c) ), weshalb hier auch nur ein gewisser reiserechtlicher Basisschutz für den Reisenden bestehen soll. So hat er Anspruch auf vorvertragliche Informationen über diese Rechtslage, er ist ggf. (unter den Voraussetzungen des Absatz 3) zur Insolvenzsicherung verpflichtet und er unterliegt zumindest bei Verletzung dieser Pflichten in Teilen dem BGB-Pauschalreiserecht (§ 651w Abs. 4 BGB).
b) Bei Click-Through-Buchungen gilt Pauschalreiserecht (vom Pauschalreisebegriff)
Neu eingeführt ist das Modell der click-through-Buchungen aus § 651 c BGB. Hier beginnt der Reisende den Buchungsvorgang auf den Seiten des ersten Unternehmers über einen Link
und wird von dort auf die Buchungsseiten anderer Unternehmer geleitet und stellt sich so seine Gesamtreise zusammen. Bei einer solchen Click-Through-Buchung gelten die geschlossenen Verträge zusammen als ein Pauschalreisevertrag und der erste Unternehmer als Reiseveranstalter (§ 651 c Abs. 2 BGB).
c) Reisevermittler
Keine Reiseverträge sind die Vermittlungen von Pauschalreisen z.B. durch ein Reisebüro oder eine Internetplattform. Hier kommt der Pauschalreisevertrag zwischen Kunden und Veranstalter zustande. Diese Reisevermittler werden nun auch stärker in die Pflicht genommen. Sie werden in vielen Punkten den (Reise-)Veranstaltern gleichgestellt und haben diverse gesetzliche Vorgaben zu erfüllen.
i.) Ausnahme 1: Einheitliche Buchung und Zahlung als Pauschalreise!
Wählt der Reisende stationär oder online mindestens zwei Hauptreiseleistungen bei demselben Buchungsvorgang aus, wie zum Beispiel einen Flug und ein Hotel, mit einer einzigen Zahlungsverpflichtung, und bezahlt er anschließend diese Leistungen verschiedener Leistungserbringer mit einer Rechnung mit einem Gesamtpreis, liegt stets eine Pauschalreise des digitalen oder stationären Reisevermittlers vor – er gilt also als Reiseveranstalter. Wer also „Vermittler“ bleiben will, muss dafür sorgen und nachweisen können, dass der Reisende die Leistungen getrennt ausgewählt und sich zur Zahlung verpflichtet hat.
ii.) Ausnahme 2: Gesamtpreis oder ähnliche Bezeichnung
Eine Berufung auf eine reine Vermittlung kommt auch nicht in Betracht, wenn der Unternehmer die Reiseleistungen zu einem Gesamtpreis anbietet oder zu verschaffen verspricht oder in Rechnung stellt (§ 651 b Abs. 1 Nr. 2 BGB) oder wenn der Unternehmer die Reiseleistungen unter der Bezeichnung „Pauschalreise“ oder einer ähnlichen Bezeichnung bewirbt oder auf diese Weise zu verschaffen verspricht (§ 651 b Abs. 1 Nr. 3 BGB) – auch dann ist er Reiseveranstalter.
7. Änderung der materiell-rechtlichen Vorschriften des BGB
a) Informationspflicht für Reiseveranstalter (Formblätter)
Die Informationspflichten des Reiseveranstalters und des Vermittlers wurden erheblich ausgeweitet, was sich insbesondere in der verbindlich vorgeschriebenen Verwendung von bestimmten Informationsblättern äußert.
i.) Vor dem Vertragsabschluss: Formblatt Pauschalreise
Nunmehr müssen Reiseveranstalter vor Vertragsschluss den Reisenden ein Musterformblatt übergeben, das über die Rechte als Pauschalreisender informiert (Informationspflicht).
ii.) Reisepreis-Sicherungsschein
Grundsätzlich hat der Reiseveranstalter sicherzustellen, dass dem Reisenden der gezahlte Reisepreis erstattet wird, soweit im Fall der Zahlungsunfähigkeit oder sonstigen Insolvenz des Reiseveranstalters Reiseleistungen ausfallen. Der Sicherungsschein ist dem Teilnehmenden mit der Buchungsbestätigung auszuhändigen. Er muss gemäß den in Anlage 18 enthaltenen Muster erstellt und ausgefüllt werden.
Bei dieser Pflicht zur Insolvenzversicherung gibt es eine leider unangenehme Änderung für kirchliche Reiseveranstalter: Und zwar werden juristische Personen des öffentlichen Rechts (wie zum Beispiel Kirchengemeinden) hier nicht mehr privilegiert, auch sie müssen seitdem einen Insolvenzversicherungsschutz durch Übergabe eines Sicherungsscheines an den Reisenden bestätigen.
Für CVJM als privatrechtliche Körperschaften ändert sich hier also nichts, für sie war das schon immer so. Kirchengemeinden haben die Möglichkeit, sich den Sicherungsschein kostenlos im Dienstleistungsportal der Landeskirche oder (sofern sie über uns versichert sind) über das VLB-Portal des EJW zu besorgen.
b) Gewährleistungsrechte
Im Übrigen gibt es bei den Gewährleistungsrechten (Minderung, Schadensersatz, Abhilfe, Selbstabhilfe oder Kündigung bei Reisemängeln) keine erheblichen Änderungen. Die Haftungs- und Gewährleistungsrechte bleiben weitgehend bestehen, vgl. §§ 651 c ff., 651 i ff. BGB.
Allerdings verjähren Ansprüche des Reisenden nunmehr erst zwei Jahre nach Ende der vertraglich bestimmten Reisezeit.
i.) Erweiterte Beistandspflicht des Veranstalters (§ 651 k Abs. 4 BGB)
Die Beistandspflicht des Reiseveranstalters erweitert: Können Reisende wegen Pandemien, Unwettern oder z. B. der Schließung des Luftraums nach einem Vulkanausbruch ihre Heimreise nicht planmäßig antreten, muss der Veranstalter nach § 651 k Abs. 4 BGB nicht nur den späteren Rücktransport sicherstellen, sondern die Reisenden für mindestens drei Nächte in einer möglichst gleichwertigen Unterkunft auf seine Kosten beherbergen.
ii.) Mängelanzeige
Auch hier wird die Haftung für Veranstalter verschärft.
Mehr Zeit für eine Mängelanzeige
Die Frist zur Geltendmachung von Mängeln erweitert sich von einem Monat auf zwei Jahre, was jedoch in der Praxis kaum eine Änderung bedeutet, da es zugunsten der Beweislage am sinnvollsten ist, diese so früh wie möglich anzuzeigen und geltend zu machen.
Beschwerde auch beim Reisevermittler möglich
Der Reisevermittler gilt als vom Reiseveranstalter bevollmächtigt, Mängelanzeigen sowie andere Erklärungen des Reisenden bezüglich der Erbringung der Reiseleistungen entgegenzunehmen. […] (§ 651v Abs. 4 S. 1 BGB)
iii.) Kostenloser Rücktritt unter bestimmten Voraussetzungen
Weitere Änderungen gibt es u. a. bei den Rücktrittsrechten; beispielsweise wird das Kündigungsrecht wegen höherer Gewalt ersetzt durch ein Rücktrittsrecht bei unvorhersehbaren und außerordentlichen Umständen.
Ein kostenfreier Rücktritt kommt nur in Frage, wenn sich die Lage im Reiseziel deutlich verschlechtert hat und die Reise belegbar deutlich erschwert wäre.
Kostenloser Rücktritt des Reisenden vor Reisebeginn
Die Vorschrift des § 651 h Abs. 3 BGB, welche unabhängig von der Covid-19 Pandemie womöglich ein „Nischendasein“ geführt hätte, bekam im Jahr 2020 unerwartet heftige Relevanz durch den Ausbruch der Corona-Pandemie und stand nunmehr lange im Zentrum des Interesses.
§ 651h Abs. 3 BGB bestimmt, dass der Reiseveranstalter bei einem Rücktritt des Reisenden keine Entschädigung verlangen kann, wenn am Bestimmungsort oder in dessen unmittelbarer Nähe unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände auftreten, die die Durchführung der Pauschalreise oder die Beförderung von Personen an den Bestimmungsort erheblich beeinträchtigen.
Absatz 3 Satz 2 definiert für den Regelungsbereich des neu gefassten Untertitels, wann Umstände unvermeidbar und außergewöhnlich sind. Dies ist der Fall, wenn sie nicht der Kontrolle der Partei unterliegen, die sich hierauf beruft und sich ihre Folgen auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Vorkehrungen getroffen worden wären.
Allein eine Reisewarnung ist hierfür keine zwingende Voraussetzung, allenfalls ein starkes Indiz (so z. B. das AG Lüneburg, Entscheidung vom 9.6.2021, Az. 53 C 142/20).
Folge eines Rücktritts wegen unvermeidbarer, außergewöhnlicher Umstände ist, dass der Reiseveranstalter seinen Anspruch auf den vereinbarten Reisepreis verliert und nach Absatz 5 zur Rückerstattung verpflichtet ist. Weitergehende Ansprüche des Reisenden bestehen nicht:
Covid-19 als unvermeidbarer außergewöhnlicher Umstand iSd § 651h Abs. 3 BGB
Der Tatbestand von § 651h Abs. 3 BGB ist erfüllt, wenn schon vor Beginn der Reise eine erhebliche Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass eine solche Beeinträchtigung am Reiseziel gegeben ist, was eine ex ante-Prognose vor Reisebeginn erfordert.
Die Beurteilung der Frage, ob die Durchführung der Reise aufgrund von außergewöhnlichen Umständen mit erheblichen und nicht zumutbaren Risiken verbunden ist, bedarf einer Würdigung aller für den Einzelfall relevanten Umstände und ist aus Sicht eines verständigen Durchschnittsreisenden im Rücktrittszeitpunkt vorzunehmen.
Rein subjektive Unwohl- oder Angstgefühle eines Reisenden vor einer Krankheit stellen keine außergewöhnlichen Umstände nach § 651h Abs. 3 BGB dar.
Nach der Pandemie
Da nach den Erfahrungen der Jahre 2020 – 2022 muss jeder Reisende damit rechnen, dass die Anforderungen an diesen Rücktrittsgrund recht hoch sind.
Daher ist es auf jeden Fall vor einer Buchung sinnvoll, die AGB des Veranstalters genau zu prüfen und ggf. versuchen, Absprachen z. B. hinsichtlich einer Kulanz zu treffen. Auch die Reiseveranstalter haben oft Interesse an gütlichen oder pragmatischen Lösungen und müssen diese mit ihren wirtschaftlichen Interessen vereinbaren.
8. Allgemeine Geschäftsbedingungen für Reisen
a) Verjährungsfristverkürzung entfällt, Vereinbarung Haftungsbegrenzung erschwert
Die früher noch mögliche Verkürzung der Verjährungsfrist auf ein Jahr auf Mängelansprüche in den AGBs des Veranstalters entfällt.
Und auch die in vielen AGBs früher vorgesehene Vereinbarung einer Haftungsbegrenzung des Veranstalters für Schäden auf den dreifachen Reisepreis ist nur dann möglich sein, wenn es sich dabei nicht um Körperschäden handelt oder der Schaden beim Teilnehmenden nicht schuldhaft herbeigeführt worden ist.
Da das Verschulden des Leistungsträgers dem Reiseveranstalter regelmäßig gem. § 278 BGB zugerechnet wird, führt diese Neuregelung zu einer deutlichen Verschärfung der Haftung für den Veranstalter.
b) Preiserhöhungen/-Senkungen
Einseitige Preis- oder Leistungsänderungen sind nur noch bedingt zulässig, § 651f BGB . Übersteigt die Preiserhöhung die im Vertrag vorgesehene Preiserhöhung erheblich, was ab 8 % des Reisepreises der Fall ist, kann der Reiseveranstalter sie nicht einseitig vornehmen, § 651g Abs. 1 S. 1. Der Teilnehmende ist dann berechtigt, unentgeltlich vom Reisevertrag zurückzutreten oder die Teilnahme an einer mindestens gleichwertigen Maßnahme zu verlangen. Wann eine erhebliche Leistungsänderung vorliegt ist nicht legaldefiniert; letztlich muss unter Abwägung der beiderseitigen Interessen geprüft werden, ob die Änderung zumutbar war oder ob sie das vereinbarte Leistungsspektrum so verändert hat, dass dem Reisenden das Recht zugestanden werden muss, zurückzutreten.
Voraussetzung ist immer ein vertraglicher Änderungsvorbehalt (meist in AGB).