Weder generelle Pflicht zur Vorlage durch Ehrenamtliche noch zum Abschluss einer Vereinbarung mit den öffentlichen Trägern
Am 1. Januar 2012 war das Bundeskinderschutzgesetz in Kraft getreten, das viele Regeln zur Verbesserung des Kindesschutzes enthielt, wie z. B. Hilfen für werdende Eltern, Stärkung von Hebammen, Zusammenarbeit der Jugendämter untereinander und mit Ärzten oder Standards in der Kinder- und Jugendhilfe. Die gesetzliche Regelung sah vor, dass das Bundeskinderschutzgesetz in weiten Teilen keine eigene originäre gesetzliche Regelungentrifft, vielmehr regelt es insbesondere die Änderung anderer Gesetze, so auch die Änderung des 8. Buches Sozialgesetzbuch (SGB VIII). D. h., das Bundeskinderschutzgesetz ist insoweit kein eigenständiges Gesetz, auf das sich die Anwender in der Praxis berufen können, sondern es geht v. a. um die geänderten Gesetze.
Nichts war aus Sicht der Jugendarbeit so umstritten wie die Einführung einer Pflicht oder eines Rechts zur Einholung von Führungszeugnissen von haupt- und insbesondere ehrenamtlichen Mitarbeitenden. Viele verstanden das Gesetz so, dass damit bereits die Vorlage von erweiterten Führungszeugnissen durch Ehrenamtliche Pflicht geworden sei. Das war jedoch ein Irrtum. Die Gesetzesänderung schuf nur die bis dato nicht gegebene Möglichkeit, ein solches erweitertes Führungszeugnis auch für Ehrenamtliche ausstellen zu lassen. Es bestand zu keinem Zeitpunkt eine entsprechende Pflicht und eine zwingende Pflicht besteht auch mit dem neuen Gesetz nicht.
Eine echte Pflicht zur Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses besteht lediglich für alle hauptamtlichen Mitarbeitenden in der öffentlichen und freien Jugendhilfe.
Als Träger der sogenannten freien Jugendhilfe hat das Evangelische Jugendwerk in Württemberg (inkl. Kirchengemeinden, CVJM, EC, VCP und andere anerkannte Träger) dagegen nun lediglich die Pflicht sicherzustellen, dass keine einschlägig vorbestraften Personen in der Kinder- und Jugendarbeit tätig sind.
Zur Wahrnehmung dieser Pflicht hab das EJW und seine Gliederungen die Möglichkeit, Vereinbarungen mit den jeweiligen öffentlichen Trägern – bspw. den Jugendämtern – darüber abzuschließen, bei welchen Tätigkeiten in der Jugendarbeit das Erfordernis des Führungszeugnisses als notwendig betrachtet wird.
Der Gesetzgeber hat hier eine Sollregelung geschaffen, die den Trägern der Jugendhilfe ein eigenes Ermessen lässt.
In dem durch das BKiSchG geänderten § 72a Abs. 4 SGB VIII steht folgende interessante Regelung:
„Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe sollen durch Vereinbarungen mit den Trägern der freien Jugendhilfe sowie mit Vereinen im Sinne des § 54 sicherstellen, dass unter deren Verantwortung keine neben- oder ehrenamtlich tätige Person, die wegen einer Straftat nach Absatz 1 Satz 1 rechtskräftig verurteilt worden ist, in Wahrnehmung von Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe Kinder oder Jugendliche beaufsichtigt, betreut, erzieht oder ausbildet oder einen vergleichbaren Kontakt hat. Hierzu sollen die Träger der öffentlichen Jugendhilfe mit den Trägern der freien Jugendhilfe Vereinbarungen über die Tätigkeiten schließen, die von den in Satz 1 genannten Personen auf Grund von Art, Intensität und Dauer des Kontakts dieser Personen mit Kindern und Jugendlichen nur nach Einsichtnahme in das Führungszeugnis nach Absatz 1 Satz 2 wahrgenommen werden dürfen.“
Fazit: Es gibt nach wie vor keine zwingende Führungszeugnispflicht für ehrenamtliche Personen in der Jugendarbeit.
Nichtsdestotrotz wird allen Trägern der freien Jugendhilfe nahegelegt, aufgeschlossen in Verhandlungen mit den öffentlichen Trägern zu gehen, eigene Vorstellungen einfließen zu lassen und zu vernünftigen Vereinbarungen zu kommen. Nicht nur des Kindeswohls wegen, sondern auch, weil die Vereinbarung eine Voraussetzung für die Auszahlung von Fördermitteln sein kann: Das Jugendamt hat die Möglichkeit, die Auszahlung von finanziellen Förderungen an den Abschluss der Vereinbarung zu koppeln. Kommt mit dem freien Träger keine Vereinbarung zustande, kann das Jugendamt die Zahlung von Fördermitteln einstellen, zumindest kann man dies aus § 79a in Verbindung mit § 74 SGB VIII ableiten.
Zielführender und absolut notwendig ist aus unserer Sicht aber eine Sensibilisierung der Ehrenamtlichen für das Thema Kindeswohl; Das EJW möchte daher auf die Praxishilfe „Menschenskinder, ihr seid stark“ hinweisen, die zum Download auf der Website bereitsteht.