Allgemeines zur Aufsichtspflicht

14.02.2025 | Peter L. Schmidt

Nach § 1631 BGB sind in der Regel die Eltern (ggf. auch z. B. Pflegeeltern oder Großeltern) zur Personensorge hinsichtlich ihrer minderjährigen Kinder verpflichtet. Nun gehört zur Personensorge nicht nur das Recht zur Pflege und Erziehung des Kindes oder das Aufenthaltsbestimmungsrecht, sondern insbesondere auch die Aufsichtspflicht.

Diese Aufsichtspflicht muss nicht zwingend von diesen Personen selbst wahrgenommen werden, sondern kann auch auf dritte Personen (z. B. Mitarbeitende des Trägers einer Jugendmaßnahme) übertragen werden. D. h., entweder durch ausdrücklichen (selten schriftlichen) Vertrag oder (das ist die Regel) schlüssiges (sog. konkludentes) Handeln können sie die Aufsichtspflicht delegieren. Letzteres kann z. B. dadurch geschehen, dass sowohl Eltern als auch die Mitarbeitenden ihr Einverständnis mit der Teilnahme an einer Veranstaltung durch ihr Verhalten eindeutig zu erkennen geben, beispielsweise indem die Eltern ihr Kind zur Jungschar bringen oder indem die Mitarbeitenden die Kinder bewusst und für die Eltern erkennbar in Empfang nehmen.

Auch wenn hier keine bestimmte Form vorgeschrieben ist, empfehlen wir, zumindest bei größeren oder „schadensgeneigten“ (sprich gefährlichen) Maßnahmen schriftliche Anmeldungen mit Einverständniserklärungen. Auch bei einer regelmäßig stattfindenden Gruppe ist es empfehlenswert, die schriftliche Zustimmung einzuholen.

Die Übertragung der Aufsichtspflicht ist keine Übertragung eines Erziehungsauftrages. Das Erziehungsrecht wird zwar auch in kleinen Teilen mit delegiert, aber nicht, soweit es den „Kernbereich des elterlichen Erziehungsrechts“ tangieren könnte. Beispielsweise erlaubt das Jugendschutzgesetz in § 1 Abs. 1 Ziff. 4 die Vereinbarung und Erteilung einer sog. „Erziehungsbeauftragung“, über die einer volljährigen Person auf Dauer oder zeitweise einzelne, konkrete Erziehungsaufgaben delegiert werden können. Häufiger Anwendungsfall ist die Begleitung des Kindes zu einer abendlichen Konzertveranstaltung oder ähnlichem.

Ziel der Aufsichtspflicht

Das Ziel der Aufsichtspflicht ist, dass die aufsichtspflichtige Person dafür sorgt, dass die anvertrauten Minderjährigen nicht zu Schaden kommen bzw. niemandem Schaden zufügen. Mit Übernahme der Aufsichtspflicht übernehmen Mitarbeitende die Verantwortung dafür, dieses Ziel im Rahmen der Veranstaltung umzusetzen.

Konkretisierung der Aufsichtspflicht

Die konkreten Aufsichtsmaßnahmen, die die Mitarbeitenden bei Jugendveranstaltungen ergreifen, um ihre Aufsichtspflicht zu erfüllen, sind nicht gesetzlich geregelt. Allerdings haben die Gerichte inklusive der obergerichtlichen Rechtsprechung im Laufe der Jahre einige anerkannte Leitlinien entwickelt, die als rechtsverbindlich betrachtet werden können.

Danach muss man das Maß und den Umfang der Aufsicht an den Bedürfnissen der jeweiligen Zielgruppe und den Anforderungen der konkreten Situation orientieren. Aufsichtsführende haben in der jeweiligen Situation „verständig“ abzuwägen, welche Maßnahmen einerseits pädagogisch geeignet sind und ob diese andererseits auch den drohenden Gefahren gerecht werden.

Belehrung und Warnung

Die oder der Mitarbeitende hat sich (beispielsweise bei Geländespielen oder Zeltlagern) zunächst über möglichen Risiken des Geländes zu informieren. Über diese und über die Gefährlichkeit bestimmter Situationen und Verhaltensweisen, die sich beispielsweise während eines Geländespiels ergeben könnten, haben sie die Teilnehmenden hinzuweisen. Hierzu kann auch eine gemeinsame Geländebegehung dienen.

Die Belehrungen bzw. Warnungen sollten in einer allgemeinverständlichen Form erfolgen, um sicher zu sein, dass sie tatsächlich verstanden werden; gegebenenfalls müssen sie wiederholt und ausdrücklich gefragt werden, ob alle das verstanden haben.

Wichtig ist, dass diese Belehrungen und Warnungen auch den übrigen Mitarbeitenden vermittelt werden, da diese eine Vorbildrolle innehaben und keinesfalls in Gefahrensituationen unüberlegt vorpreschen sollten, nur um die anderen zu beeindrucken.

Sorgfältige Überwachung

Belehren und Warnen hilft nicht, wenn die Anweisungen nicht befolgt werden. Daher muss die oder der Mitarbeitende situationsangemessen und (im ersten Schritt unauffällig) die Umsetzung der Regeln überwachen (z. B. durch Kontrollgänge und Stichproben).

Hier ist der Aufwand bei einer großen Gruppe oder bei sehr vielen lauernden Gefahrenquellen sicherlich um einiges höher. Stellt die oder der Mitarbeitende fest, dass ihre oder seine Belehrungen und Warnungen aus Unbekümmertheit, Leichtsinn oder Trotz nicht befolgt werden, dann sind klare Worte notwendig.

Verbot

Im Hinblick auf das Sicherheitsinteresse der Minderjährigen selbst und nicht zuletzt gegenüber Dritten kann es erforderlich sein, klare, eindeutige, aber immer angemessene Verbote und Gebote auszusprechen. Angemessen sind solche Konsequenzen, wenn sie nachvollziehbar und (bei durchschnittlicher Einsichtsfähigkeit) einzusehen sind. Auch stärkere Sanktionen, die die Verbote unterstützen sollen, müssen immer verhältnismäßig sein.

Unmöglichmachen der schadensgeneigten Handlung

Verbote müssen schlussendlich durchgesetzt werden.

Sollte durch all die oben genannten Maßnahmen offensichtlich kein wirksamer Schutz gewährleistet sein, können Mitarbeitende im Notfall entweder die Gefahrenquelle entfernen oder – soweit möglich – abriegeln, oder aber als ultima ratio zur Gefahrenabwehr auch die Handlungsfreiheit der Minderjährigen einschränken.

Dies kann durch Wegnahme gefährlicher Gegenstände oder im schlimmsten Fall (z. B. im Rahmen der Nothilfe oder Notwehr) durch körperliche Gewaltmaßnahen (z. B. Festhalten, Wegdrücken) geschehen. Hier jedoch ist jedoch das wichtige Rechtsgut „Leib und Leben“ des Sanktionierten tangiert, weshalb solche Maßnahmen wirklich nur das allerletzte Mittel sein und niemals übers Ziel hinausschießen dürfen.

Parallel sollte (wie stets schon im Vorfeld) immer das Gespräch gesucht und Überzeugungsarbeit geleistet werden.

Soweit es die Situation erlaubt, sollten solche starken Sanktionen immer unter Beachtung des  Vieraugenprinzips umgesetzt werden, das heißt, zwei Mitarbeitende sollten dabei sein und so nicht zuletzt den jeweils anderen schützen können. Dieser Schutz kann unmittelbar in der Situation hilfreich sein, aber auch im Anschluss, wenn die oder der Minderjährige später Vorwürfe gegen die Mitarbeitenden erhebt.

Auch das Mittel, störende und uneinsichtige Kinder und Jugendliche nach Hause zu schicken, setzt eine sorgfältige Prüfung der Angemessenheit voraus. Sie dürfte nur dann in Betracht kommen, wenn hohe Rechtsgüter (Leben, Gesundheit, wertvolle Sachgüter) auf dem Spiel stehen und praktisch keine Einflussmöglichkeiten mehr bestehen.

Spezialfall: Aufsichtspflicht beim Baden und Schwimmen mit der Jugendgruppe

Da sich speziell bei Badeaktionen, sei es im öffentlichen Hallenbad, Freibad, See oder Meer besondere Risiken ergeben haben wir hier einige Hinweise dazu zusammengefasst. 

Wenn doch etwas passiert

Trotz aller Vorkehrungen werden sich Schadensfälle in der Jugendarbeit nie vollständig vermeiden lassen. In diesen Fällen helfen oft spezielle Versicherungen, wie sie z. B. das EJW abgeschlossen hat und im Rahmen einer Umlageerhebung anbietet. Details dazu finden Sie unter dem Stichwort „Das VLB-Portal„.

Array
(
    [0] => WP_Term Object
        (
            [term_id] => 323
            [name] => Allgemeine Rechtsfragen
            [slug] => allgemeine-rechtsfragen
            [term_group] => 0
            [term_taxonomy_id] => 323
            [taxonomy] => ejw_wiki
            [description] => 
            [parent] => 0
            [count] => 25
            [filter] => raw
        )

    [1] => WP_Term Object
        (
            [term_id] => 340
            [name] => Praxis Jugendarbeit
            [slug] => praxis-jugendarbeit
            [term_group] => 0
            [term_taxonomy_id] => 340
            [taxonomy] => ejw_wiki
            [description] => 
            [parent] => 323
            [count] => 7
            [filter] => raw
        )

)
Click to access the login or register cheese